DGNB Seminar - Klimaneutraler Gebäudebestand mit 3D-Stadtmodellen
Klimaneutrale Quartiere: richtige Entscheidungen treffen mit Geoinformationen und 3D-Stadtmodellen

Übersicht zu Daten, Werkzeugen und Datenströmen auf dem Weg der Geodaten hin zum klimaneutralen Gebäudebestand.
Letzte Aktualisierung: 2022-11-24
Semantische 3D-Stadtmodelle und CityGML
Grundlagen semantische 3D-Stadtmodelle
Basispublikation zu semantischen 3D-Stadtmodellen und CityGML: [Kolbe_2009]
CityGML Standard: [OGC_2008], [OGC_2012], [Kolbe_2021], [Heazel_2021]
Video: Hugo Ledoux - Semantische 3D-Stadtmodelle: Video in englischer Sprache zu den Grundlagen von semantischen 3D-Stadtmodellen, CityGML und CityJSON.
Modellierungsaspekte von semantischen 3D-Stadtmodellen
Multiskalige Modellierung
PhD Filip Biljecki: Level of Detail in 3D City models: Promotion zum Thema multiskalige Modellierung und Einfluss versch. LoDs auf räumliche Analysen an der TU Delft.
Zeit
- Dissertation Kanishk Chaturvedi
Verwaltung von zeitabhängigen Eigenschaften mit semantsichen 3D-Stadtmodellen
City Geography Markup Language (CityGML)
Application Domain Extensions (ADE)
CityGML v3.0
Im Juni 2021 wurde die neuste Version des CityGML-Standards veröffentlicht. Die Neuerungen umfassen u.A.:
Neues Space-Konzept
Darstellung zeitabhängiger Eigenschaften
Verwaltung mehrerer Versionen eines Stadtmodells
Repräsentation von Stadtmodellen durch Punktwolken
Verbesserte Modellierung von sonstigen Bauwerken
Verbesserte Darstellung von Verkehrsinfrastruktur
Stand jetzt (2021-11) sind noch kaum Datensätze in v3 verfügbar. Die Adaption der neuen Version wird noch etwas dauern.
Weitere Links und Referenzen
Christof Beil’s Youtube Channel: Youtube Channel mit vielen Beispielvideos zu semantischen 3D-Stadtmodellen, v.A. für Modelle des Straßenraums.
Online Demos
Online Demo Kollektion: Sammlung von 3D-Webclient Demos des Lehrstuhls für Geoinformatik (TUM) mit vielen Beispiele zu Straßenraummodellen und Simulationen mit semantischen 3D-Stadtmodellen.
Bayern Atlas des LDBV: 2D und 3D Viewer des LDBV für ganz Bayern mit LoD2-Gebäuden, Brücken und Dämmen.
CityGML Daten
Koordinatensysteme in Deutschland
Das amtliche Lagekoordinatensystem in Deutschland ist das Europäisches Terrestrisches Referenzsystem 1989 (ETRS89). Im Jahr 1995 hat die AdV die Einführung des ETRS89 in Verbindung mit dem UTM-Koordinatensystem beschlossen, das System wurde damit für alle Vermessungsverwaltungen verpflichtend. Seit 2016 gilt für die Landesvermessung der Integrierte Raumbeuzg 2016, der ETRS89 als Lagekoordinatensystem und das DHHN2016 als Höhensystem festlegt.
Ältere Geodaten liegen häufig noch im Vorgänger des ETRS89, dem Gauß-Krüger-Koordinatensystem vor.
Weiterführende Links:
Datenquellen und Datenverfügbarkeit in Deutschland
CityGML-konforme semantische 3D-Stadtmodelle sind heute im LoD1 und LoD2 für ganz Deutschland verfügbar. Je nach Region sind die Daten Open Data oder kostenpflichtig. Die wichtigste Bezugsquelle für semantische 3D-Stadtmodelle in Deutschland sind die Landesvermessungsämter, die landesweite Modelle zur Verfügung stellen und regelmäßig aktualisieren. Für staatliche Stellen ist der Bezug der Daten in den meisten Fällen direkt über das BKG möglich.
Eine Liste mit Open Data Modellen in Deutschland ist unter Awesome CityGML auf Github verfügbar.
Amtliche Datenquellen
AdV CityGML: Website der AdV zu den amtlichen 3D-Gebäudemodellen in den Ausprägungen LoD1 und LoD2.
AdV CityGML Profil: Das CityGML Profil der AdV
AdV CityGML Profil PDF
BKG LoD1 Update: BKG LoD1.
BKG LoD2 Update: BKG LoD2.
LDBV LoD2 Arbeitsstand: Arbeitsstand bei der Aktualisierung der LoD2-Modelle des LDBV.
CityGML-Daten auf der ganzen Welt
CityGML wird weltweit eingesetzt. Die folgenden Seiten Listen meist frei zugängliche CityGML-Modelle von Ländern und Städten weltweit auf:
Awesome CityGML: Sammlung von internationalen Open Source CityGML-Modellen auf Github.
TU Delft Übersicht 3DCities: Übersicht der TU-Delft zu Städten mit Open Data CityGML-Modellen.
TU Delft Übersicht Open Data cities: Übersicht über internationale Städte mit Open Data Stadtmodellen.
BAG 3D: CityJSON-Modell von ganz Holland in verschiedenen LoDs.
Werkzeuge für CityGML
Datenauswahl und Übersicht
Vor der Verwendung von CityGML-Daten, sollte man sich eine Überblick über die verschiedenen Koordinatensysteme in Deutschland machen. Falls die Daten ETRS89 vorliegen, kann man mit dieser Grafik die UTM-Zone der Daten abschätzen:

https://www.koordinaten-umrechner.de: Website, auf der sich eine Position in verschiedenen Koordinatensystemen anzeigen bzw. umrechnen lässt. In Deutschland liegen die meisten Daten im amtlichen Koordinatensystem ETRS89, UTM-Zone 32N oder 33N vor. Die Webseite kann bei der Selektion von Datenkacheln hilfreich sein.
3D City Database Suite
Sammlung an Open Source Softwarewerkzeugen für den CityGML-Standard. Die 3D City Database umfasst die folgenden Werkzeuge:
3DCityDB: Datenhaltung und Analyse mit relationalen Datenbanken.
Importer/Exporter: Daten Importer/Export für die 3DCityDB. Export von Visualisierungsformaten für den 3D-Web-Map-Client. Der Importer/Exporter unterstützt zahlreiche Erweiterungen, z.B. für den Export von tabellarischen Daten.
3D-Web-Map-Client: Cesium basierter 3D-Web-Map-Client zur Visualisierung und Analyse von 3D-Stadtmodellen im Browser.
Web Feature Service: OGC-konformer Web Feature Service zur Abfrage von 3D-Stadtmodelldaten über eine Web-Schnittstelle.
Weitere Links
Literatur zur 3D City Database: [Kunde_2013], [Yao_2016], [Yao_2017], [Yao_2018], [Kolbe_2009a], [Chaturvedi_2015]
3DCityDB Docker
Alle 3D City Database Werkzeuge stehen als Docker Images zur Verfügung. Eine Einführung zu den Images gibt es hier. Der Einstieg in die 3DCityDB wird mit den Images wesentlich erleichtert, da alles „out of the box“ funktioniert und z.B. die komplizierte Installation eines Datenbankservers wegfällt.
Docker ist eine weit verbreitete Virtualisierungstechnologie, die es ermöglicht, eine Anwendung mit allen erforderlichen Ressourcen in eine standardisierte Einheit - den Docker-Container - zu packen. Auf diese Weise gekapselte Software kann auf Linux, Windows, MacOS und den meisten Cloud-Diensten ohne weitere Änderungen oder Einrichtungsprozesse ausgeführt werden. Im Vergleich zu herkömmlichen Virtualisierungsumgebungen, die ein ganzes Betriebssystem emulieren, sind Docker-Container leichtgewichtig, da sie nur die Anwendung und alle dafür benötigten Tools, Programmbibliotheken und Dateien enthalten.
Mit Docker können Sie beispielsweise eine 3DCityDB-Instanz in wenigen Sekunden in Betrieb nehmen, ohne einen Datenbankserver oder das 3DCityDB-Datenbankschema einrichten zu müssen, siehe Abb. 3.
Beispiel: CityGML zu KML-Visualisierungsdaten mit Docker konvertiert Docker in 5 Minuten: Beispiel Docu

Richten Sie eine 3DCityDB-Instanz mit Docker ein und stellen Sie in Sekundenschnelle eine Verbindung zur einsatzbereiten 3DCityDB her.
Visualisierungswerkzeuge
FZKViewer
Der FZK-Viewer ist ein Open Source Softwarewerkzeug zur Visualisierung von standardisierten semantischen Datenmodellen aus den Bereichen BIM (Building Information Modelling) und GIS (Geographische Informationssysteme), das vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) entwickelt wird.

FME Data Inspector
Der FME Data Inspector ist das Visualisierungswerkzeug des Safe Software FME Desktop Softwarepakets. Die Software ist kostenpflichtig und läuft auf allen gängigen Betriebssystemen. Neben CityGML wird eine große Anzahl weiterer Format aus dem GIS-Bereich und darüber hinaus unterstützt. Der Viewer ist sowohl für die Anzeige von 2D, als auch 3D-Daten geeignet.


Azul
Azul ist ein CityGML und CityJSON Viewer, der an der TU-Delft entwickelt wird. Die Software ist Open Source und unterstützt nur MacOS.

CityGML Generatoren
Virtual City Systems: BuildingReconstruction
Kommerzielles Werkzeug zur automatisierten Ableitung großer 3D-Stadtmodelle in LoD1 und LoD2.


3dfier
Der Open Source 3dfier hebt 2D-Geometrien in die dritte Dimension mit Höhendaten aus LiDAR-Befliegungen.

osm2citygml
Random3DCity
Werkzeug zur Erzeugung zufälliger 3D-Stadtmodelle, das an der TU-DElft entwickelt wird.
SketchUp CityEditor Extension
SketchUp Extension zur Bearbeitung von CityGML-Modellen.
Datentransformation und Analysen
3D City Database (3DCityDB)
Die 3D City Database ist eines der mächtigsten Analysewerkzeuge für CityGML-Modelle. Analysen über räumliche und nicht-räumliche Daten sind besonders performant, da die Serialisierung bzw. De-Serialisierung von XML-Daten während des Analyseworkflows entfällt und die Indexstrukturen der Datenbank genutzt werden können. Für komplexe räumliche Abfragen stehen die umfassenden Funktion von PostGIS bzw. Oracle Spatial zur Verfügung.
FME Workbench
FME gilt als das Schweizer Taschenmesser unter den GIS Werkzeugen. Es unterstützt nahezu alle Formate der GIS-Welt und bietet einen umfangreichen Katalog an Werkzeugen zur Datenbearbeitung.

r:trån
Open Source Konvertierungswerkzeug für CityGML nach/von OpenDRIVE.

Validierungswerkzeuge
CityDoctor
Der CityDoctor ist ein Werkzeug zur Validierung und Reparatur von 3D-Stadtmodellen. Dass Tool kann die Syntax, Geometrien und die Semantik von Modellen prüfen und reparieren.
val3dity
Validierung von 3D GML Geometrieobjekten.
Entwicklungswerkzeuge
citygml4j
citygml4j ist eine quelloffene Java-Klassenbibliothek und API zur Erleichterung der Arbeit mit CityGML. citygml4j erleichtert das Lesen, Verarbeiten und Schreiben von CityGML-Datensätzen sowie die Entwicklung von CityGML-fähigen Softwareanwendungen.
libcitygml
CityGML C++ library zum parsen von CityGML-Datensätzen, v.A. für 3D-Rendering.
Weitere Links und Referenzen
TU Delft CityGML Website: Website der TU-Delft 3D-Geoinformation Group rund um CityGML. Auflistung von Tools, Beispieldaten, internationalen CityGML-Datensätzen, uvm.
Anwendungsbeispiele
In den letzten Jahrzehnten wurden 3D-Stadtmodelle vor allem für die Visualisierung verwendet. Heute werden sie jedoch zunehmend in einer Reihe von Bereichen und für eine große Bandbreite von Aufgaben eingesetzt, die über die Visualisierung hinausgehen.
Einen guten Überblick gibt die Studie „Applications of 3D City Models: State of the Art Review“ aus dem Jahr 2015, die umfassend Anwendungsszenarien und Werkzeuge zu semantischen 3D-Stadtmodellen sammelt und klassifiziert [Biljecki_2015].
Die Anwendungsfälle Solarpotentialanalyse und Gebäude-Lebenszyklusanalyse werden im folgenden im Detail vorgestellt.
Solarpotentialanalyse mit semantischen 3D-Stadtmodellen
Features
Solarpotentialanalyse auf Basis von semantischen 3D-Stadtmodellen in der Cloud
Hohe Skalierbarkeit zur Berechnung von ganzen Städten und multiplen „Was wäre wenn?“-Szenarien
Kalibrierung mit NASA-Daten zur Abbildung lokaler klimatischer Bedingungen
Detaillierte Infos in den Publikationen

3D-Web-Map-Client zur Solarpotentialanalyse mit dem Stadtmodell Dresden. Die Gebäudetexturen zeigen die solare Einstrahlung von blau (wenig Einstrahlung) nach rot (viel Einstrahlung).
Online Demos
3D-Web-Map-Client München
Die Webclient Demo zeigt vier Berechnungsszenarien für ganz München aus einer wissenschaftlichen Untersuchung zum Einfluss der Vegetation und verschiedener LoDs von Stadtmodellen auf die Ergebnisse der Solarpotentialanalyse.
Berechnungsszenarien:
LoD1 mit Vegetation
LoD1 ohne Vegetation
LoD2 mit Vegetation
LoD2 ohne Vegetation
Hier geht’s zur Demo: 🚀 Webclient Link 🚀
Bemerkung
Der Webclient hat die beste Performance mit GoogleChome und profitiert von einer starken Grafikkarte.
Gebäude-Lebenszyklusanalyse
Anhand von Lebenszyklusanalysen auf Gebäudeebene lassen sich unter anderem die ökologischen, ökonomischen und sozialen Auswirkungen von Gebäuden, bzw. deren stofflicher und energetischer Ressourcenbedarf, auf unsere Umwelt (inkl. Menschen), über deren gesamten Lebenszyklus erfassen, analysieren, bewerten und optimieren.
Eine ökologische Lebenszyklusanalyse wird im Deutschen „Ökobilanz“ gennant. Werden die ökonomischen Aspekte im Rahmen einer Lebenszyklusanalyse betrachtet, dann spricht man von einer Lebenszykluskostenanalyse (engl. Life Cycle Cost Assessment). Die soziale Lebenszyklusanalyse wird im Englischen als „Social Life Cycle Assessment“ bezeichnet.
Bei einer gebäudebezogenen Lebenszyklusanalyse, die als Analyse- bzw. Untersuchungsziel das Thema der Klimaneutralität definiert, liegt der Fokus somit auf der Durchführung von Ökobilanzen.
Ökobilanzen von Gebäuden
Die folgenden Inhalte aus diesem Grundlagenkapitel stammen aus der WECOBIS online-Publikation „Zwischen den Zeilen von Ökobilanzen“ von Patricia Schneider-Marin, Hannes Harter und Michael Vollmer.
Ökobilanzen dienen grundsätzlich der Quantifizierung des Ressourceneinsatzes und der Umweltwirkungen von Produkten oder Dienstleistungen über deren Lebenszyklus. Werden Ökobilanzen berechnet, heißt das nicht zwangsläufig, dass das Objekt der Ökobilanz nachhaltig ist. Es bedeutet lediglich, dass die Umweltauswirkungen eines Produkts oder einer Dienstleistung über deren Lebenszyklus hinweg ermittelt und berechnet wurden. Die Ergebnisse einer Ökobilanz dienen dann als Grundlage für einen Vergleich von Produkten oder Dienstleistungen. Erst der direkte Vergleich ermöglicht es, eine Aussage darüber zu treffen, welches Produkt z.B. weniger Treibhausgase emittiert. Dabei ist zu beachten, dass Ökobilanzen an sich kein Zertifikat darstellen, jedoch Teil einer Gebäude-Zertifizierung sein können. Für Gebäude gibt es Ökobilanzen auf verschiedenen Ebenen, z.B. für
einzelne Bauprodukte (z.B. ein Dämmstoff),
Bauteile (z.B. ein Wärmedämmverbundsystem oder eine Vorhangfassade),
Prozesse (z.B. Energieerzeugung) oder
ganze Gebäude.
Ziel einer Ökobilanz
Bevor eine Ökobilanz gerechnet wird, muss zunächst das Ziel definiert werden. Wichtig ist, dass eine klare Fragestellung vorhanden ist, auf die die Untersuchung abgestimmt wird. Beispiele für solche Fragestellungen wären: „Welcher Dämmstoff emittiert im Laufe seines Lebenszyklus am wenigsten Treibhausgas (THG)-Emissionen?“ „Welche Fassadenart benötigt für ihre Herstellung am wenigsten nicht-erneuerbare Primärenergie?“ „Welcher Energiestandard erlaubt bei diesem Gebäude eine lebenszyklusbezogene THG-Neutralität?“ Fragen wie: „Ist dieses Produkt umweltfreundlicher als ein anderes?“ „Holz oder Beton?“ - sind zu wenig präzise, um sie mit einer Ökobilanz beantworten zu können, weil sich umgehend weiterführende Fragestellungen ergeben wie beispielsweise: Unter welchen zeitlichen und räumlichen Umständen (Systemgrenzen, Rahmenbedingungen)? Wo und wie werden die Produkte verwendet (Lebensdauer, Funktion)? Welche Datengrundlagen stehen für die Bilanzierung zur Verfügung?
Funktionelle Einheit
Die funktionelle Einheit beschreibt die zentrale Bezugsgröße, auf die sich die Ökobilanz bezieht, also zum Beispiel, 1 m3Baumaterial, 1 m2beheizte Wohnfläche, 1 Gebäudenutzer, 1 Bürogebäude etc. Die errechneten Ergebnisse der Ökobilanz beziehen sich auf diese Einheit.
Systemgrenzen
Die Systemgrenze definiert sowohl den zeitlichen Betrachtungshorizont (z.B. Lebensdauer des Gebäudes, inkludierte Lebenszyklusphasen) als auch den räumlich-technischen (z.B. welche Materialien und Bauteile bilanziert werden, welche nicht).
Lebenszyklusphasen
Die Lebenszyklusphasen (siehe folgende Abbildung) unterteilen die komplette Lebensdauer des Gebäudes in einzelne Phasen, auch Module genannt. Die erste Phase stellt die Herstellungsphase (A1-A3) dar. Diese Phase bezieht sich auf die Herstellung des Produkts inklusive des notwendigen Rohstoffabbaus. Darauf folgt die Errichtungsphase (A4-A5), wobei Baustellenprozesse z.B. zur Errichtung des Gebäudes aufgeführt werden. In der Nutzungsphase (B1-B7) werden der Energiebedarf für das Gebäude und/oder der Austausch von Materialien und Bauteilen bilanziert. Nach der Nutzungsphase folgt die Entsorgungsphase (C1-C4). In dieser Phase werden alle Prozesse und Wirkungen bilanziert, die mit dem Rückbau des Gebäudes und der Entsorgung und Aufbereitung von Materialien zu tun haben. Daraus entstehende Potentiale wie z.B. Recyclingpotentiale werden in der letzten Phase (Modul D) aufgeführt.

Datenbanken
Grundlagen für Gebäude-Ökobilanzen liefern Datenbanken, in denen Daten für ganze Produkte zusammengestellt sind, da eine individuelle Bilanzierung aller Prozesse, die für ein Gebäude notwendig sind, viel zu aufwendig wäre. Außerdem würden die Komplexität und die Vielzahl der Annahmen, die getroffen werden müssten, dazu führen, dass Ergebnisse kaum noch vergleichbar sind. Meistverwendet in Deutschland ist die ÖKOBAUDAT. Solche Datensätze sind Momentaufnahmen, die den Durchschnitt von produkt- und dienstleistungsbezogenen Produktions-, Nutzungs- und Entsorgungsprozessen abbilden. Diese können aufgrund technischer und politischer Änderungen dynamischen Schwankungen unterliegen, die in den Datensätzen nicht abgebildet werden. Außerdem gibt es grundsätzlich verschiedene Arten von Datensätzen, wie beispielweise Durchschnittsdatensätze (z.B. Mittelwert für ein Produkt in Deutschland) und spezifische Datensätze (z.B. für ein Material eines bestimmten Herstellers).
Ergebnisdarstellung
Die Ergebnisse von Ökobilanzen gliedern sich in viele Kategorien: Hier gibt es zunächst die „Inputs“, d.h. Materialien und Energie, wie zum Beispiel der nicht erneuerbare Primärenergiebedarf (PENRT) in MJ. Oft wird diese Kategorie dargestellt, wenn es um den Ressourceneinsatz geht. Zweite wichtige Säule sind die Umweltwirkungen. In der aktuellen Diskussion ist hier in den meisten Fällen vom globalen Erwärmungspotential (global warming potential = GWP), gemessen in THG Äquivalenten, die Rede. Output-Kategorien (z.B. radioaktiver Abfall) kommen in Ergebnisdarstellungen selten vor.
Lebenszyklusanalysen bzw. Ökobilanzen großer Gebäudebestände
Mit Hilfe der Nutzung von 3D-Stadtmodellen hat Herr Hannes Harter im Rahmen seiner Dissertation mit dem Titel „Lebenszyklusanalyse der Technischen Gebäudeausrüstung großer Wohngebäudebestände auf der Basis semantischer 3D-Stadtmodelle“ eine Methode bzw. einen generischen Ansatz zur Berechnung der lebenszyklusbasierten energetischen, emissions- und kostenbezogenen Bilanz von Gebäuden und deren Technischer Gebäudeausrüstung (TGA) entwickelt. Der generische Ansatz ermöglicht, dass die Methode auf beliebig große Gebäudebestände (einzelne Gebäude, Stadtquartiere, Städte usw.) angewendet werden kann.
Die entwickelte Methode wurde programmierseitig umgesetzt (Java) und mündet in einem Softwaretool, das
ermöglicht, die Methode iterativ auf eine beliebig große Anzahl von Gebäuden anzuwenden. Zudem
erlaubt das Tool die Durchführung und Berechnung verschiedener Entwicklungsszenarien bspw. mit dem Ziel
der Klimaneutralität. Das Softwaretool wird urbi+ genannt, das als Abkürzung für „urban
improvement“ steht. Das +
signalisiert den offenen Ansatz, der bei der Entwicklung verfolgt wurde.
Dieser Ansatz ermöglicht es, weitere Bewertungs- und Analysehorizonte in fortführenden Arbeiten in
urbi+ zu integrieren. Dabei ist z. B. die Erweiterung auf Nichtwohngebäude und den Kühlenergiebedarf geplant.
Es ist geplant, dass urbi+ bei der v3sta UG für Untersuchungen im Rahmen
der kommunalen Wärmeplanung
von Kommunen in Baden-Württemberg zum Einsatz kommt.
Beispielhafte wissenschafliche Ergebnisse inkl. deren Visualisierung können unter der Verlinkung auf GitHub eingesehen werden.
Glossar: Begriffe und Definitionen
- AdV
Die Arbeitsgemeinschaft der Vermessungsverwaltungen der Länder der Bundesrepublik Deutschland (AdV). Mehr auf https://www.adv-online.de.
- API
Application Programming Interfaces (APIs) werden dazu genutzt Informationen zwischen einer Anwendung und einzelnen Programmteilen standardisiert auszutauschen und dienen als eine Programmierschnittstelle.
- CityGML
Die City Geography Markup Language (CityGML) ist ein GML-Anwendungsschema zur Speicherung und zum Austausch von virtuellen 3D-Stadtmodellen. CityGML ist seit dem 13. August 2008 ein OGC-Standard.
- Erneuerbare Energien
Erneuerbare Energien sind Wind- und Sonnenenergie, Biomasse, Geothermie und Wasserkraft. Der Begriff Erneuerbare Energien steht in dieser Arbeit übergreifend für die Technologien der Erneuerbaren Energien, die im Gebäudesektor Anwendung finden. Hierzu zählen bspw. Wärmepumpen, Biomasse-Kessel, Photovoltaik-Anlagen etc.
- Graue Energie
Die Grauen Energien sowie die daraus resultierenden Grauen Emissionen und Grauen Kosten ergeben sich aus der Herstellungs-, Nutzungs- (Austausch und Ersatz) und Entsorgungsphase der betrachteten TGA-Komponenten. Das Wort „Grau“ umfasst die genannten Lebenszyklusphasen.
- GWP
Die Abkürzung GWP steht für Treibhausgaspotential (engl. Global Warming Potential) und definiert das Klimaerwärmungspotential eines Treibhausgases in der Einheit CO2-Äquivalente.
- LoD
Als Level-of-Detail (LoD) bezeichnet man die verschiedenen Detailstufen bei der Darstellung virtueller Welten. Im Bereich der virtuellen dreidimensionalen Landschafts- und Stadtmodelle werden LOD-Konzepte eingesetzt. Je nach Anwendung werden hier unterschiedliche Detailstufen benötigt.
- OGC
Das Open Geospatial Consortium ist eine 1994 als Open GIS Consortium gegründete gemeinnützige Organisation, die sich zum Ziel gesetzt hat, die Entwicklung von raumbezogener Informationsverarbeitung (insbesondere Geodaten) auf Basis allgemeingültiger Standards zum Zweck der Interoperabilität festzulegen.
- Operative Energie
Die Operativen Energien sowie die daraus resultierenden Operativen Emissionen und Operativen Kosten ergeben sich aus der Nutzungsphase (Raumheizung und Trinkwarmwasser) der betrachteten Gebäude. Das Wort „Operativ“ umfasst somit als Oberbegriff die genannte Lebenszyklusphasen für Raumheizung und Trinkwarmwasser.
- PENRT
Die totale nicht-erneuerbare Primärenergie (PENRT) beschreibt den Energieinhalt einer nicht-erneuerbaren Primärenergiequelle (Rohöl, Erdgas, etc.).
- PERT
Die totale erneuerbare Primärenergie (PERT) beschreibt den Energieinhalt einer erneuerbaren Primärenergiequelle (Wasserkraft, Umweltwärme, etc.).
- Spreadsheet
Ein Spreadsheet ist ein digitales Tabellenblatt, das Daten in Zellen, angeordnet in Zeilen und Spalten, enthalten kann. Solche Spreadsheets können z. B. in Microsoft Excel erstellt und online bereitgestellt werden.
- TGA
Der Begriff Technische Gebäudeausrüstung steht im Rahmen dieser Arbeit als Oberbegriff für das gebäudespezifische Energiesystem und die unmittelbar damit verbundenen Komponenten. Hierzu zählen: Wärmeerzeuger, Wärmespeicher, Wärmeverteilleitungen und Wärmeübergabesysteme.
- U-Wert
Der U-Wert oder Wärmedurchgangskoeffizient definiert sich als ein Maß für die Wärmedurchlässigkeit eines Bauteils mit der Einheit \(\left[\frac{W}{m^2 \cdot K}\right]\). Er gibt an, welche Wärmeleistung pro Quadratmeter eines Bauteils strömt, wenn dessen Außen- und Innenfläche einem konstanten Temperaturunterschied von einem Grad Kelvin ausgesetzt sind. Je niedriger der U-Wert, umso höher die Dämmwirkung eines Bauteils.
- XML
Die Abkürzung XML steht für Extensible Markup Language und definiert eine digitale Datenstruktur. Die in dieser Datenstruktur enthaltenen Daten sind sowohl von Maschinen (Computern) als auch Menschen lesbar.
Literatur
- Chaturvedi_2015
Chaturvedi, K., Yao, Z., Kolbe, T. H. (2015): Web-based Exploration of and Interaction with Large and Deeply Structured Semantic 3D City Models using HTML5 and WebGL. In: Proc. of the 35th Annual Conference of the German Society for Photogrammetry, Remote Sensing and Geoinformation (DGPF). https://mediatum.ub.tum.de/node?id=1245285
- Biljecki_2015
Biljecki, F., Stoter, J., Ledoux, H., Zlatanova, S., Çöltekin, A. (2015): Applications of 3D City Models: State of the Art Review. ISPRS Int. J. Geo-Inf. 2015, 4, 2842-2889. https://doi.org/10.3390/ijgi4042842
- Heazel_2021
Heazel, C. (2021): OGC City Geography Markup Language (CityGML) 3.0 Conceptual Model Users Guide, Version 1.0., Open Geospatial Consortium, Doc. No. 20-066. https://docs.ogc.org/guides/20-066.html
- Kolbe_2009
Kolbe, T. H. (2009): Representing and Exchanging 3D City Models with CityGML. In: Lee, J., Zlatanova, S. (eds.): Proceedings of the 3rd International Workshop on 3D Geo-Information 2008 in Seoul, South Korea. Lecture Notes in Geoinformation & Cartography, Springer Verlag, 2009. http://mediatum.ub.tum.de/doc/1145752/947446.pdf
- Kolbe_2009a
Kolbe, T. H.; König, G.; Nagel, C.; Stadler, A. (2009): 3D-Geo-Database for CityGML, Documentation Version 2.0.1, Institute for Geodesy and Geoinformation Science, TU Berlin. http://www.3dcitydb.org/3dcitydb/fileadmin/downloaddata/3DCityDB-Documentation-v2_0.pdf
- Kolbe_2021
Kolbe, T. H., Kutzner, T., Smyth C.S., Nagel, C., Roensdorf, C, Heazel, C. (2021): OGC City Geography Markup Language (CityGML) Part 1: Conceptual Model Standard, Version 3.0.0., Open Geospatial Consortium, Doc. No. 20-010. https://docs.ogc.org/is/20-010/20-010.html
- Kunde_2013
Kunde, F. (2013): CityGML in PostGIS: portability, usage and performance analysis using the example of the 3D City Database of Berlin. (in german only) Master Thesis, University of Potsdam, Germany. https://publishup.uni-potsdam.de/opus4-ubp/frontdoor/deliver/index/docId/6186/file/kunde_master.pdf
- OGC_2008
Gröger G., Kolbe, T. H., Czerwinski, A., Nagel C. (2008): OpenGIS City Geography Markup Language (CityGML) Encoding Standard, Version 1.0.0. Open Geospatial Consortium, Doc. No. 08-007r1, August 20th. http://portal.opengeospatial.org/files/?artifact_id=28802
- OGC_2012
Gröger G., Kolbe, T. H., Nagel C., Häfele, K. H. (2012): OpenGIS City Geography Markup Language (CityGML) Encoding Standard, Version 2.0.0. Open Geospatial Consortium, Doc. No. 12-019. http://portal.opengeospatial.org/files/?artifact_id=28802
- Yao_2016
Yao, Z., Chaturvedi, K., Kolbe, T. H. (2016): Browserbasierte Visualisierung großer 3D-Stadtmodelle durch Erweiterung des Cesium Web Globe. In: Kolbe, T. H., Bill, R., Donaubauer, A. (eds.): Geoinformationssysteme 2016 - Beiträge zur 3. Münchner GI-Runde, 24.-25. 2016, Wichmann Verlag, Berlin. http://mediatum.ub.tum.de/doc/1296408/547142.pdf
- Yao_2017
Yao, Z., Kolbe, T. H. (2017): Dynamically Extending Spatial Databases to support CityGML Application Domain Extensions using Graph Transformations. In: Kersten, T.P. (ed.): Beitrag zur 37. Wissenschaftlich-Technische Jahrestagung der DGPF. Deutsche Gesellschaft für Photogrammetrie, Fernerkundung und Geoinformation e.V. http://mediatum.ub.tum.de/doc/1425154/602735.pdf
- Yao_2018
Yao, Z., Nagel, C., Kunde, F., Hudra, G., Willkomm, P., Donaubauer, A., Adolphi, T., Kolbe, T. H. (2018): 3DCityDB - a 3D geodatabase solution for the management, analysis, and visualization of semantic 3D city models based on CityGML. Open Geospatial Data, Software and Standards 3 (5), 2018, 1-26. http://dx.doi.org/10.1186/s40965-018-0046-7
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Dr. Hannes Harter